Wir haben auch Vitrinen im Louvre.

Hochsicherheitsvitrinen von Glasbau Hahn

Herr Hohenstatt, beim Raub von Napoleons Kronjuwelen im Louvre sind hoffentlich keine Vitrinen von Glasbau Hahn zu Bruch gegangen?
Nein, die sind nicht von uns. Wir haben allerdings in anderen Räumen des Louvre ungefähr 80 bis 100 Vitrinen.

Warum haben die Ihre nicht für die Kronjuwelen genommen?
Ein Auftrag für Vitrinen für die Kronjuwelen wurde, wenn ich mich richtig erinnere, 2018 ausgeschrieben. Glasbau Hahn hat an dieser Ausschreibung aber nicht teilgenommen, wie auch ein anderer Spezialist nicht, von dem man das erwartet hätte. Es gab letztlich nur einen Anbieter, und der wurde dann auch genommen. Das war sicher nicht einer mit ausreichender Erfahrung in dieser Art von Anforderungen an Vitrinen.

Nichtsdestotrotz wird auch der ein spezielles Glas verwendet haben. Wie bruchsicher kann Glas denn wirklich sein, wenn jemand rohe Gewalt anwendet?
Glasscheiben können eine extrem hohes Durchschlagshemmnis darstellen. Man kann mit einem Vorschlaghammer oder mit einem Riesenbeil auf so eine Glasscheibe minutenlang einschlagen, und man kommt nicht durch. Das liegt an der Komposition, denn einbruchssichere Gläser sind nicht nur aus Glas. Das sind Komposit-Produkte, da sind noch bestimmte Folien oder Polycarbonate mit eingearbeitet.

Polycarbonat ist das, was man landläufig als Acrylglas bezeichnet?
Ja, genau. Durch ein solches Komposit-Produkt kommt man schlecht durch, da bräuchte man viel Zeit. Professionelle Einbrecher, und das im Louvre waren mit Sicherheit Profis, würden allerdings mit speziell abgestimmten Werkzeugen für ihre Aufgabe arbeiten. Sie könnten zuerst die erste Glasschicht so weit zertrümmern, dass sie dann vielleicht mit einem Brenner Polycarbonat weich machen können, dadurch die nächste Glasscheibe erreichen und die wieder durchschlagen. Aber auch das braucht Zeit, und dann müssten auch Rauchmeldeanlagen angehen. Vielleicht wurden stattdessen auch Gläser rausgehebelt, oder die Konstruktion wurde geöffnet – wenn beispielsweise ein Schloss nicht richtig gesichert ist, kann es mit Hammer und Meißel rausgeschlagen werden. Um das zu verhindern, muss die Vitrine innen mit einer speziellen Metallkonstruktion versehen sein. So eine Vitrine wirklich mechanisch komplett sicher zu machen, ist recht komplex und etwas für Spezialisten.

Für Hochsicherheitsvitrinen gibt es eine neue Norm der VdS, einer Institution der Versicherungswirtschaft. Wenn diese Norm erfüllt wird, wäre dann so ein Bruch trotzdem möglich?
Bei der Festlegung von Normen wird getestet, wie lange die Vitrinen Einbruchsversuchen standhalten. Unter Einsatz der für diese Tests vorgeschrieben Werkzeuge wäre es nicht möglich, eine normgerechte Vitrine der höchsten Sicherheitsklasse in weniger als zehn Minuten zu öffnen. Aber natürlich werden die Einbrecher immer erfinderischer, es gibt auch immer mehr batteriebetriebene Werkzeuge, die man einsetzen kann. Wenn die ein Gerät mitbringen, das bei Entwicklung der Norm vielleicht noch gar nicht existiert hat, sind sie damit möglicherweise schneller.

Es gibt also einen Wettlauf zwischen denen, die neue Sicherheitsvorkehrungen entwickeln, und den Einbrechern?
Der entscheidende Faktor ist tatsächlich Zeit. Deshalb ist wichtig, dass, wenn ein Einbrecher eine Konstruktion zu öffnen versucht, ein Alarm ausgelöst wird. Von diesem Moment an bis zum Eintreffen der Sicherheitskräfte darf der Einbrecher es nicht schaffen, an das Objekt in der Vitrine heranzukommen, oder wenigstens darf er damit nicht aus dem Raum herauskommen. Dann funktioniert das Sicherheitssystem. Im Louvre war die eigentliche Sicherheitslücke schon, dass das Fenster geöffnet werden konnte, ohne dass die Sicherheitskräfte rechtzeitig darauf reagiert haben.

Sie kennen durch Ihre Arbeit ja viele Museen, gibt es ähnliche Defizite auch in anderen Häusern?
Ich will jetzt keine Panik machen, aber: absolut, ja. Es ist auch ganz klar, dass nicht jedes Objekt vor jedem Einbruch geschützt werden kann. Aber: in vielen Museen gab es noch gar keine konsequente Risikoanalyse, für welche Objekte wie viel Schutz sinnvoll ist. Das ist etwas, was relativ neu ist in dem Sektor, erst seit ein paar Jahren wird darüber wirklich aktiv nachgedacht.

Kommt das daher, dass es einige spektakuläre Einbrüche gab in den vergangenen Jahren?
Es hängt immer an spektakulären Fällen, aber nicht nur an Diebstählen – es gab auch Fälle, in denen irgendwelche Ausgasungen von Materialien ein Objekt zerstört haben. Das heißt: Schicksalsschläge haben die Forschung im musealen Bereich weitergebracht. Es ist selten, dass vorausgeplant und mit Weitsicht schon vorgeforscht wurde.

Trotzdem fällt auf, dass es in den vergangenen Jahren einige dreiste Einbrüche in Museen gab – zum Beispiel den Einbruch ins Grüne Gewölbe in Dresden oder den Raub einer riesigen Goldmünze aus dem Bode-Museum in Berlin.
Zur Risikoanalyse gehört zu fragen: wer macht sowas? Es gibt natürlich Vandalismus, es gibt aber auch Objekte, die mit einer politischen Aussage verbunden sind. Napoleons Kronjuwelen im Louvre zum Beispiel, das sind für den Staat repräsentative Objekte. Also: entweder wollte jemand politisch motiviert den Ruf des französischen Staats beschädigen – aber dann hätte er die Kronjuwelen wahrscheinlich zertrümmert. Oder es steckt jemand dahinter, der sie haben möchte, irgendeinen Sammler, der die Einbrecher beauftragt hat.

Und der legt sie dann zuhause in einen Safe? Er wird sie ja nicht verkaufen können.
Der wird es bei sich zuhause in irgendeinem Tresor haben, guckt sie sich ab und zu an und freut sich einfach, dass er sie besitzt. Es gibt tatsächlich Personen, die brauchen solche Kicks, das gibt es auch außerhalb der Hollywood Filme.

Wirken sich denn solche spektakulären Fälle bei Ihnen auf die Auftragslage aus?
Ganz so eindeutig ist das nicht, weil unsere Zeitketten einfach viel zu lang sind. Von einer Bestellung bis zur Realisierung des Auftrags vergehen ungefähr sechs Monate, zumal das Geld dafür bei staatlichen Museen erst einmal bewilligt werden muss. Das heißt, so einen unmittelbaren Effekt wie im Supermarkt, wo in der Corona-Krise dann das Toilettenpapier ausverkauft war – das gibt es bei uns nicht. Aber zeitversetzt merken wir schon, dass vermehrt Anfragen von Museen kommen, die einen Sicherheitscheck machen nach solchen Vorfällen und aufrüsten wollen.

Werden die nicht auch von den Versicherungen dazu gezwungen?
Die Versicherungen sagen natürlich schon: wenn du wertvolle Objekte in einer Hochsicherheitsvitrine aufbewahrst, musst du deutlich weniger Beiträge zahlen, als wenn sie in einer normalen Vitrine gezeigt werden. Aber viele Museumsstücke sind gar nicht versichert, weil die Werte einfach zu hoch sind. Wenn es staatliche Museen sind, gibt es dafür meistens nur Garantien vom Land oder vom Bund. Deshalb sind bei Sicherheitsplanungen für Vitrinen im Museum die Landeskriminalämter mit eingebunden. Aber das geschieht nur für ganz wenige im öffentlichen Besitz befindliche Sammlungen, oft wenn ein Objekt für Ausstellungen verliehen oder an einem neuen Ort ausgestellt werden soll.

Das heißt, wenn die Sachen schon lange zu einer Sammlung gehören und da auch bleiben, denkt niemand daran?
Die Sammlungen der Museen gehen ja bis ins 18. Jahrhundert, zum Teil auch noch weiter zurück. Wenn man sich prozentual anschaut, wie viele Diebstähle es gab über die ganze Zeit, kann man jetzt nicht sagen, dass das System Museum in puncto Sicherheit völlig versagt hat. Trotzdem sollte auch in Deutschland eine systematische Risikoanalyse gemacht werden, wie sie jetzt der französische Innenminister angekündigt hat.